Im Reich der Lichter
Himmelsleiter
Mischtechnik auf Leinwand 30 x 90 cm. | 2009
Vortrag in der Kreisgalerie Dahn
von Armin Schmitt | 2009
Christoph M Frisch ist ein vielseitiger Künstler. Er ist Plastiker und Glaskünstler, arbeitet mit Ton und Glas, er ist Maler und entdeckt – das darf ich vielleicht schon verraten – gerade ein neues Gestaltungsmedium, nämlich die Fotografie. Oftmals hat er die maroden Hallen des Bergwerk Redens besucht, hat immer wieder in seriellen Aufnahmen die Fenster fotografiert und die ruinösen Architekturen. Das Vergängliche, das Schwindende, Zerbrechliche zieht ihn an und ich glaube, dass wir diese Tendenz auch in vielen Arbeiten, die Sie hier sehen können, entdecken.
In Neunkirchen ist er geboren, inmitten einer Insel auf dem Gelände der Grube Reden aufgewachsen. Sein Großvater hat hier gearbeitet. Sein Elternhaus, seine Schule, der Kindergarten sind längst verschwunden, mussten Parkplätzen weichen. Frisch ist im Saarland geblieben, hier verbrachte er seine Lehrjahre, wurde Goldschmied, lernte das Handwerkliche, den Umgang mit Farben, das Mischen der Farben. Der Slalom durch die handwerklichen Berufe hatte doch nur ein Ziel, irgendwann als Künstler arbeiten und leben zu können. Dreißig lange Jahre lebt und manchmal leídet er dies Passion inzwischen schon. - Ein freier Künstler.
Dass er hier in der Pfalz eine Ausstellung hat, ist kein Zufall: Er hat nicht nur im Saarland ein Atelier, sondern auch hier in der Pfalz und seine Frau, die im treu zur Seite steht und ihm in schwierigen Zeiten den Rücken stärkt, ist Pfälzerin.
Christoph M Frisch ist ein postmoderner Künstler. Eines ihrer Merkmale ist die Variation der Stile. So oszilliert auch Frischs Werk zwischen Abstraktion und Figuration, zwischen Realismus und dem freien Spiel der Formen. Immer wieder schlägt das Pendel in die eine oder andere Richtung aus. Vor zwei Jahren entstanden Bildzyklen mit sachlich-fotorealistischer Malerei, mittlerweile - wie Sie unschwer erkennen - überwiegt wieder die Abstraktion, scheinbar schnell hingeworfene Bilder, die manchmal an die Art Brut in der Tradition eines Jean Dubuffet erinnern, der einen spontanen, aus dem Unbewussten sich nährenden und bewusst auf traditionelle Vorstellung von Schönheit verzichtenden künstlerischen Ausdruckswillen zu seinem Credo erhob. Eine manchmal grobe Malweise, Kratzspuren, dick aufgetragene Farben oder andere Materialien findet man auch in einigen der hier ausgestellten Arbeiten.
So oszilliert auch Frischs Werk zwischen Abstraktion und Figuration, zwischen Realismus und dem freien Spiel der Formen.
Frisch Arbeiten sind dem Informel verwandt, einer abstrakten Kunstform, die sich nach 1945 in Paris etablierte, wozu übrigens auch die Art brut gehört. Die informelle Malerei lehnt – einfach gesprochen – alle festen Kompositionsregeln ab und betont frei erfundene Zeichen, die spontane Rhythmik von Farbflächen und Linien, in denen sich sozusagen auch geistige oder emotionale Zustände ausdrücken können.
Es lohnt sich einen Blick auf seine Arbeitsweise zu werfen, denn er trägt zum Verständnis der Bilder bei: Es geht Frisch nicht um realistische Wiedergabe beispielsweise der Natur oder der menschlichen Figur, es geht ihm auch nicht um ideelle Botschaften, wie beispielsweise in den Bildern des Surrealismus, des Symbolismus oder auch des sozialen Realismus. Seine Bilder sind Ergebnisse eines langen Prozesses. Wenn er mit der Bearbeitung der Leinwand beginnt weiß er noch längst nicht, wohin die Reise geht. Erst in der Auseinandersetzung mit dem, was auf der Leinwand an Farbflächen, Linien entsteht, erwächst das Bild. Spontane Eingebungen, Stimmungen, die nicht nur von dem Bild ausgehen, sondern auch von der gerade gehörten Musik oder jüngst Gelesenen arbeiten am Bild mit, auch der Zufall, beiläufig entstehende Formen, die zu neuen Strukturen aus Farben und Linien inspirieren. Oft experimentiert Frisch dabei auch mit verschiedenen Materialien - mit Gegenständen, Papier, mit Stroh, mit Eisenpartikeln. Die Bilder werden nicht nur mit Pinsel gemalt, sondern auch gekratzt und gespachtelt.
Manche Phasen dieser Auseinandersetzung sind verborgen unter dem, was Sie jetzt sehen, verworfen, übermalt. Fertig ist ein Bild erst dann, wenn sich Künstler und die gerade entstehende Arbeit nichts mehr zu sagen haben, wenn die inspirierende Spannung erlahmt, wenn der Dialog an Kraft verliert. Um ein Wort von Kleist zu variieren: Die künstlerischen Ideen kommen erst beim Malen – der künstlerische Prozess selbst, der bewusste und unbewusste und auch zufällige Weg zum Bild, ist der entscheidende Aspekt – der informelle Aspekt um es genauer zu sagen - dieser künstlerischen Vorgehensweise bzw. der Arbeiten dieser Ausstellungen.
Wenden wir uns den hier ausgestellten Objekten zu: Es sind vor allem drei Werkgruppen, auf die ich kurz eingehen möchte: Es sind einmal die ganz aktuell entstandenen Materialbilder, einige ältere Arbeiten, in denen die menschliche Figur – ein Lieblingsthema Frischs - im Mittelpunkt steht und schließlich die Glasplastiken.
Stundenblatt
Eitempera, gemahlener Marmor und Pigment auf Karton | 2004
DIE MATERIALBILDER
Die Materialbilder sind Arbeiten, die entweder ganz aus Object-trouve – ein Buch, Naturreste, Papier - komponiert sind oder die solche Elemente enthalten und die dadurch die Tafelmalerei um eine plastische Qualität erweitern. Letzteres trifft auf den Himmelsleiter-Zyklus zu. Gemeinsam ist ihnen das hohe schmale, die Senkrechte betonende Format. Auf einer farblich gestalteten Fläche sind in einer langen senkrechten Reihung Grasrohrstücke geklebt. Sie sind flüchtig und hastig mit Weiß übermalt, wodurch das blasse Naturmaterial verfremdet und an Leuchtkraft gewinnt. Auch scheinen sie ohne große Sorgfalt geklebt: die Rohre sind unterschiedlich lang und bar jeder Akkuratess. Formal wachsen sie mehr oder weniger stark aus der Bildfläche heraus, gewinnen an Struktur in der Bildmitte, verlieren sich an den Rädern. Jedes Bild des Zyklus akzentuiert eine andere Qualität: Mal ist die Stabilität betont, mal der Zerfall, mal zeigt sich Kompaktheit in der Mitte der Struktur, während an den Enden Auflösungserscheinungen deutlich werden, mal scheint die Struktur in sich zusammenzufallen, oder befindet sich in einem bedenklichen Gleichgewicht. Gleichzeitig ergibt sich ein mehr oder weniger intensiver Kontrast oder Dialog mit den Farbflächen des Hintergrunds.
Die Bilder sind in erster Linie ein kontrastreiches Spiel der Formen, dem Kontrast der Reihung waagerechter Linie und der aufstrebenden Senkrechten, den Farbflächen des Hintergrunds und den „Grasrohrleitern“, deren zerbrechliche Struktur an die vielen brüchigen Figuren erinnert, denen man in vielen Arbeiten Frischs immer wieder begegnet.
Noch ein anderer Aspekt ist mir bemerkenswert: Frisch nennt diese Zyklus „Himmelsleiter“. Ein zufälliger Titel? Eine spontane Assoziation des Künstlers? Eine bedeutungsvolle Aufladung des Bildes, mit der er augenzwinkernd unser Bedürfnis nach Deutungsschwere stillt? Vielleicht auch tatsächlich eine Wegmarke für den Betrachter, die Öffnung eines Assoziationsraumes für den Betrachter? Sicher ist nur: Durch den Titel – Himmelsleiter - wird ein häufiges Motiv der Kunstgeschichte zitiert, dargestellt beispielsweise auch von Chagall auf den Glasfenstern in der Metzer Kathedrale. Die Himmels- oder auch Jakobsleiter spielt auf den Patriarchen Jakob an, dem sie im Traum erschien. Sie ist der Auf- und Abstieg zwischen Erde und Himmel, den Jakob laut Gen 28,11 während seiner Flucht vor Esau von Beerscheba nach Haran in einer Traumvision schaut. Auf ihr sieht er Engel, die auf- und niedersteigen, oben aber den Herrn selbst, der sich als Gott Abrahams und Isaaks vorstellt und die Land- und Nachkommenverheißung wiederholt.
Unter der Himmelleiter Frischs träumt kein Jakob mehr, steigen keine Engel mehr auf und ab. Aber dennoch wird durch dieses Zitat der Zyklus mit dieser abendländischen Tradition in einen Zusammenhang, als eine ferne Replik, als langsam verblassender Mythos gebracht.
Figuren des kaiserlichen Schnitzers
Mischtechnik auf Leinwandblock 80 x 60 x 7,5 cm. 2009
Seine eigentliche Materialität hat das Stroh in anderen Bildern eingeprägt. Wenn man es nicht weiß, ahnt man auch kaum, dass oxydierte Eisenpartikel malerische Qualitäten entwickeln. In dem Bild „Figuren des kaiserlichen Schnitzers“ – auch hier wieder ein Titel, der ganze Assoziationsketten auslösen kann – werden zerbröselte und verbrannte Pflanzenbestandteile zusammen mit Bindemittel wie Farben auf die Leinwand aufgebracht, verlieren ihren Charakter, erzeugen aber ganz eigene Effekte. Warme, weiche pelzig wirkende Strukturen entstehen, oxydierte Rostspuren der in die Fläche verbrachten Eisenpartikel sind zu erkennen. Die Figuren selbst bleiben schemenhaft, unbestimmt, zerbrechlich. Sie scheinen sich in einem Transformationsprozess zu befinden, in einem Übergang, Schattenwesen – ein Totentanz?
Rote Daphne
Mischtechnik auf Leinwand 80x120 cm 2009
Prvatsammlung Mainz
ÄLTERE ARBEITEN
Weniger experimentellen Charakter haben einige ältere Arbeiten. Stellvertretend möchte ich an dieser Stelle auf die „Rote Daphne“ hinweisen – ein ironisches Wortspiel, denn die Daphne selbst ist nicht rot, sondern entwickelt sich kontrastreich vor einem tiefroten Hintergrund in schwarz-blau Tönen als eine überlange Schattengestalt. Sie scheint sich in einem Auflösungsprozess zu befinden. Nur wer den Mythos kennt wird noch Assoziationen an einen Lorbeerbaum haben, in den Daphne sich, verfolgt von Apoll in höchste Not verwandelt. Umgeben ist die dunkle Gestalt von einer Aureole aus Licht. Mehr noch als die letzten Bilder sind diese etwas älteren Arbeiten aus den letzten beiden Jahren noch dem Figurativen verpflichtet.
Frisch hat der Ausstellung den Titel gegeben: Im Reich der Lichter. Dies ist auch der Titel eines Bildes, in dem spermienähnliche Lichtspuren über das Bild huschen. Lichtgestalten sind natürlich auch die Figurinen aus Glas. Auch die weiß überpinselten Himmelsleiter leuchten, auch die Aureole um die Rote Daphne. Und die Farben Frisch leuchten – in dieser Hinsicht ist er ein alter Meister. Man könnte aber die Ausstellung auch „Im Reich der Schatten“ nennen, und das auch zwei Gründen:
1. Wenn Frisch – mit Ausnahme einiger weniger sachlich-realistischer Varianten – menschliche Figuren malt, sind es zerbrechliche Gestalten, Gestalten am Übergang, oft in Auflösung begriffen, eingesogen von ihrer Umgebung, isolierte Wesen, Schattenwesen eben, keine Lichtgestalten.
2. Viele der Arbeiten Frisch wirken auf mich wie archaische Höhlenbilder, magische Beschwörungen aus einer verlorenen Zeit, Bilder mit verblassenden Zeichen, verborgenen Botschaften, fernen Erinnerungen an Mythen, an Orpheus, an Daphne, an Prometheus, an Jakob den Träumer und die Jünglinge im Feuerofen – Schatten die langsam verblassen, Mythen, derer sich kaum mehr jemand erinnert.
Im Reich der Lichter
Mischtechnik auf Leinwand 40x145 cm | 2009
Babylon II
Mischtechnik auf Leinwand 40x145 cm | 2009
Über den Horizont
Mischtechnik auf Leinwand 40x145 cm | 2009
Himmelsleiter VI
Mischtechnik auf Leinwand 30x90 cm | 2009
Reisebild
Eitempera auf Leinwand 30x90 cm | 2009
Drei Himmelsleitern
Mischtechnik auf drei Leinwänden | 2009
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